Da ich noch nie eine Discogängerin war, ging es völlig an mir vorbei, daß „Bella Ciao“der Sommerhit 2018 war. Ich wurde vielmehr auf das Lied durch ein Video aufmerksam, das einen Flashmob in einer italienischen U-Bahn zeigt, in dem das Lied als Protest gegen die gegenwärtige Regierungspolitik gesungen wird. Als mir dann eine Bloggerin neben einer ganzen Reihe anderer Graphic Novels diesen Band empfahl, wurde ich neugierig und holte mir das Buch aus der Bibliothek.
Die letzten Kriegsmonate: Italienische Partisanen bekämpfen in Norditalien die deutschen Besatzer. Im Mittelpunkt stehen die Großeltern des Zeichners Maurizio A.C. Quarello, die auf einem Bauernhof leben. Sein Großvater ist gleichzeitig der Anführer einer Partisanengruppe, die Ende 1944 einen Anschlag auf einen Laster mit deutschen Soldaten verübt. Im April 1945 beginnen die Aufstände in Turin. An der Seite der Partisanen erhebt sich die ganze Stadt und erreicht ihre Befreiung.
Das Buch im A 4 Format kommt ganz ohne Worte aus. Lediglich am Ende des Buches gibt es einen kurzen Abriss über den geschichtlichen Hintergrund, außerdem ist der Text des Liedes in intalinischer und deutscher Sprache abgedruckt. Ich habe, wie ich es oft mache, das Nachwort vor dem Betrachten der Bilder gelesen.
Weil der Zeichner Maurizio A.C. Quarello ganz auf Worte verzeichtet, kommt den Bildern umso größere Bedeutung zu. Seine Aquarelle sind in zarten Pastellfarben gehalten, dabei jedoch sehr ausdrucksstark und realistisch. In den Gesichtern seiner Protagonist*innen lassen sich die Gefühle wunderbar ablesen. Besonders eindringlich gelingt ihm dies in dem zweiten der insgesamt 5 Kapitel: 2 deutsche Soldaten kommen auf den Hof des Ehepaares und es gelingt der Ehefrau gerade noch rechtzeitig, ihren Mann oben auf dem Dachboden zu verstecken. Die beiden Soldaten verlangen etwas zu essen und plötzlich fällt der Frau ein, daß die Pistole des Mannes noch auf dem Fensterbrett liegt. Es gelingt ihr, diese noch verschwinden zu lassen und sie versorgt die beiden Soldaten mit Speis und Trank. Sie und ihre „Gäste“ merken: Sie sind letztlich alle Menschen mit Gefühlen. Diese Szene ist nicht nur unheimlich spannend, sondern aus den Gesichtern der Beteiligten lässt sich die ganze Bandbreite der Gefühle ablesen: Die Härte in den Augen der Soldaten, die irgendwann verschwindet, die Panik der Frau, als ihr die Pistole einfällt, die entspannte Haltung der beiden Soldaten beim Essen, der kurze Dialog zwischen einem der Beiden und der Frau über den Sohn, der als Soldat eingezogen wurde. In dieser Leseprobe können Sie sich das selbst anschauen.
Kurz war ich irritiert – kein Text und so eine komplexe Geschichte? Aber dann nahm mich die Handlung sofort gefangen und ich war mitten im Gemenge dabei. Ich bewundere es, wie es Quarello gelungen ist, Spannung zu erzeugen und die ganze Bandbreite der Gefühle in seinen Bildern zu zeigen. Auch das Ende hat mich bewegt: Der junge deutsche Soldat und die Frau, die für ihn und seinen Begleiter gekocht hat, sehen sich noch einmal wieder – er auf einem Laster mit gefangenen Soldaten, sie, unter den Feiernden Turinern, mit Mann und Sohn im Arm. Dieser Blickwechsel drückt die ganze Ambivalenz der Situation aus.
Warum der Verlag allerdings den Titel „Bella Ciao“ gewählt hat, ist mir verborgen geblieben. Zwar passt die Geschichte des Liedes zum Inhalt des Buches, in der italienischen Ausgabe heißt das Buch schlicht ’45 . Für ein Buch ohne Worte für mich die bessere Wahl.
Fazit: Ein Buch, dessen Geschichte und Bilder mich wirklich beeindruckt haben – mehr als so mancher Roman oder Film zu diesem Thema!
Wenn Sie Lust bekommen haben, sich das Buch anzuschauen, können Sie es in den beiden Vaihinger Buchhandlungen buch+musik oder Vaihinger Buchladen bestellen. Die Links führen direkt in die jeweiligen Webshops.
Hier können Sie sich Bella Ciao anhören, es ist unterlegt mit ein paar historischen Fotografien (2:06 Min)
Die Geschichte des Liedes ist in diesem Wikipedia – Artikel beschrieben, hier finden Sie neben dem italienischen auch den deutschen Text.