„Pilgerfahrt des Schreibens“. Die Stipendiatin des Stuttgarter Schriftstellerhauses Verena Boos ist zu Gast in der Stadtbibliothek
Am 25.2.2025 war die Autorin Verena Boos in der Stadtbibliothek zu Gast und stellte im Gespräch mit Björn Springorum ihren neuen Roman Die Taucherin vor. Verena Boos ist seit Januar und noch bis Ende März Stipendiatin im Stuttgarter Schriftstellerhaus und gleich die Antwort auf die erste Frage des Moderators, wie es ihr denn in Stuttgart gefalle, erwärmte das Herz der Zuhörer:innen im gut gefüllten Café Lesbar: „Ich finde Stuttgart toll.“ Die Autorin genießt das Eintauchen in das Leben der Stadt, auch das kulturelle und den Abstand vom Lebensalltag in Rottweil, wo sie lebt.
Nicht nur das Aufenthaltsstipendium im denkmalgeschützten Schriftstellerhaus, sondern Aufenthaltsstipendien allgemein findet Verena Boos sehr wertvoll für ihre Arbeit als Schriftstellerin: Sich rauszunehmen aus dem Alltag und sich nur auf das Schreiben konzentrieren zu können, das ist für sie gleichzeitig auch eine Reduktion auf das Wesentliche. Sie vergleicht es mit dem Wandern oder Pilgern: Wenn sie sich aufmacht in eine andere Stadt oder gar ein anderes Land, dann kann sie gar nicht viel mitnehmen in ihrem Rucksack oder Koffer. Ein Stipendium ist also für sie wie eine Pilgerfahrt, eine Pilgerfahrt des Schreibens, während der ihre Kreativität besonders hervorgekitzelt wird.
Im Gegensatz zu den kreativen Phasen der Recherche ist der Schreibprozess dann ein zwar chaotischer, aber auch sehr planerischer, in dem sie zwischen den einzelnen Kapiteln hin und her springt und mithilfe von Mindmaps und Tabellen den notwendigen Überblick behält.
Bei den klug ausgewählten Leseabschnitten aus ihrem Roman, der im Glottertal und in Valencia angesiedelt ist, merkte man, wie gut Verena Boos Spanien und insbesondere Valencia kennt: Sie war dort nicht nur für Recherchen zu diesem Roman, sondern lebte 2006/2007 auch dort und das, man glaubte es ihr sofort, sehr gerne. Während des Aufenthalts in einem anderen Land und in einer anderen Kultur könne man manche Facetten der eigenen Persönlichkeit viel besser ausleben – das habe auch ich selbst und sicher viele schon erlebt. Die gelesenen Szenen waren atmosphärisch dicht – man spürte die Wärme der Sonne und schmeckte die Köstlichkeiten, die ihre Heldin Amalia in einem Lokal zu sich nimmt.
Aber auch die Szenen im Glottertal waren bildstark und authentisch: Gleich zu Beginn klettern wir mit Amalia, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, eine Steilwand am Kandel hinauf. Und hier spürte man ebenso, wie die eigene Erfahrung von Verena Boos in ihre Figur einfließt, denn auch sie wandert und klettert sehr gerne.
Der Roman widmet sich der dunklen deutsch-spanischen Vergangenheit, ein Stoff, der immer noch ein Nischenthema in der Literatur ist. Erinnern, Erinnerungskultur aber auch das Verweigern von Erinnern spielt auf verschiedenen Ebenen ebenfalls eine Rolle und Verena Boos möchte in ihrer Geschichte den Menschen, die zum Schweigen gebracht wurden, eine Stimme geben. Dabei haben sich, wie in ihren vorherigen Romanen, das Thema und das soziologisch – historische Interesse der Autorin gefunden. Gleichzeitig sprach sie von ihrer „makabren Faszination an den menschlichen Abgründen“, zu der die gewählte Erzählweise, die in Richtung Suspense geht, gut passt.
Am Ende des Abends kam es wieder einmal wie es kommen musste: Trotz des festen Vorsatzes, mich zu beherrschen, ging ich stracks zum Büchertisch und erwarb das Buch. Und das spricht doch eigentlich für einen anregenden und gelungenen Abend, oder?
28.2.2025: Inzwischen habe ich das Buch gelesen, wie es mir gefallen hat, können Sie hier nachlesen
12.3.2025: Auf der Website des Schriftstellerhauses ist inzwischen ein ausführliches Interview mit Verena Boos verfügbar, in dem sie ausführlich auf die Hintergründe des Romans eingeht. Zum Interview
Außerdem gibt es einen Mitschnitt des Abends auf der Seite der Stadtbibliothek