Gastrezension: „Die Schatten von Belfast“ von Stewart Neville
Hier lesen Sie wieder eine Rezension unseres „Vorkosters“ Thomas Wolter, dessen Resümée gemischt ausfällt:
Für sich genommen, ist Nevilles Erstling ein recht guter Thriller geworden, der meine Vorfreude größtenteils rechtfertigt. Angesiedelt im Nordirland des vergangenen Jahrzehnts, bietet sich dem Autor eine große Spielwiese, den Terror der 80er mit der Politik der 2000er Jahre zu verbinden. Und die nutzt Stewart Neville, indem er einige Akteure von skrupellosen Terroristen zu skrupellosen Politikern entwickelt. So bietet „Die Schatten von Belfast“ einen spannenden Einblick in ein schmutziges Spiel, dass sich genauso zutragen könnte.
Gerry Fegan, seine Hauptfigur, ist ein Wrack am Rande des Wahnsinns oder mitten darin. Der Ex-Killer der IRA, gefürchtet und respektiert, wird von seinen Mordopfern ständig stumm und anklagend begleitet. Ihm wird klar, dass diese Schatten der Vergangenheit nur dann verschwinden, wenn er seine kriminelle Karriere quasi reor geht und die Auftraggeber von einst beseitigt. Kaum hat er den ersten Hintermann umgebracht, fehlt einer seiner ständigen Begleiter…..
Fegans Leben, die gesamte Situation, das perfide Spiel mit seinem Widersacher Campbell, das ist von einer alles bestimmenden Trostlosigkeit. Selbst die kurzen Lichtblicke, die Fegan mit der Witwe Marie und ihrer Tochter Ellen erlebt, erhellen die Tristesse nur kurz, und auch das Ende passt ins dunkelgraue Bild, das Neville zeichnet.
Nochmal, für sich betrachtet ein ordentlicher Thriller, fast ein „libre noir“. Ok, das ist vielleicht ein wenig weit gegriffen, aber mich hat Neville gut unterhalten.
Nun zum schon mitschwingenden „Aber“, das dem Verlag geschuldet ist. Wer mit solchem Getöse – Klappentext, Zitate, Buchtrailer usw. – Werbung für Nevilles Buch macht, wird die geweckten Erwartungen enttäuschen. Dann werden nämlich handwerkliche Mängel des Autors und Ungereimtheiten der Handlung umso deutlicher. Und wer dann augenscheinlich kaum noch in gute Übersetzung und ordentliches Korrektorat investiert, wird noch nicht mal grundlegenden Erwartungen der Leser gerecht. Fazit: viel Tristesse und wenig Akkuratesse. Schade, eigentlich.
Thomas Wolter
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