Das ist ein kleines, feines Buch für das der renommierte englische Schriftsteller 2011 den Booker Prize bekommen hat. Es ist ein Buch über die Zeit und wie der Mensch dazu neigt, sich nicht nur seine Zukunft auszudenken, zu phantasieren – sondern, mit zunehmenden Alter sich auch seine Vergangenheit im wahrsten Sinne des Wortes zusammen zu dichten. Als ob sich eine sich ausbildende Identität nur halten kann, wenn sie sich ein wenig belügt.
Wie Julian Barnes das Bild in Rückblenden zeichnet, was die Hauptfigur Tony Webster glaubt erlebt und getan zu haben -und was er tatsächlich getan hat und welche Auswirkungen dieses Tun hatte, die Enthüllung darüber ist an manchen Stellen atemberaubend und verändert mehrere Male die Richtung – wo der Leser doch meinte jetzt zu wissen, was Sache gewesen ist.
Ausgangspunkt für die Erinnerung ist die Schulzeit von Tony, der mit seinen zwei Freunden eine verschworene Gemeinschaft bildet. Dann stößt Adrian zu ihnen. Ein ganz intelligenter Bursche, der alle anderen beeindruckt. Und so verwundert es auch die Leserin nicht, dass sich Veronica, die mit Tony „gegangen“ ist eben diesem Adrian zuwendet. Eine kleine Erbschaft, die Tony macht, führt dazu, daß er merkt, dass der weitere Verlauf der Geschichte ganz anderes gewesen sein muss, als er sich das 40 Jahre zurecht erinnert hat.
Ich dachte immer, ich habe schon was von Julian Barnes gelesen – stimmt gar nicht. Aber wahrscheinlich war es gar nicht schlecht mit diesem Meisterwerk anzufangen.
Auf der Seite von 3Sat finden sich mehrere Informationen, z.B. ein kurzes Interview mit Julian Barnes, aber uch eines mit Dennis Scheck, der den Julian Barnes dieses Buches mit Philipp Roth im selben Lebensalter vergleicht. Wenn er damit Philipp Roth, „Der menschliche Makel“ meint – dann gebe ich ihm recht.
Dieses Buch gibt es auch als E-Book im e-pub-Format. Sie können es in unseen Shops von Libreka und Libri herunterladen