Dieses Buch las ich anlässlich des diesjährigen Welttag des Buches. Gemeinsam mit der langjährigen Geschäftsführerin von Litprom, Anita Djafari, hatte ich mich zu einem Gespräch über 2 Bücher aus unabhängigen Verlagen für den Podcast der BücherFrauen verabredet, das pünktlich zum Welttag am 23.4.2021 online ging. Jede von uns wählte ein Buch aus, über das wir dann jeweils sprachen. Das Buch von Margit Schreiner war der Vorschlag von Anita Djafari und ich bin ihr sehr zu Dank verpflichtet – dieses Buch hätte ich ohne ihre Anregung nie gelesen!

Der Inhalt

Ich zitiere den Klappentext des Verlages: »Ich glaube, das siebte Lebensjahr des Menschen wird gnadenlos unterschätzt. Alle starren immer nur auf die Pubertät, aber die Pubertät beginnt im Grunde viel früher. Es muss sich erst einmal vieles ansammeln, bis es dann explosionsartig austritt.« So furios beginnt das neue Buch von Margit Schreiner, in dem es nicht nur um die Entwicklung der Siebenjährigen geht, sondern auch um den Blick der Erwachsenen auf das Kind, das sie einmal war.
»Was habe ich eigentlich, sechsundsechzigjährig, in einem Haus am Rande eines Naturschutzgebiets sitzend und schreibend, mit einer Siebenjährigen zu tun? Erfinde ich diese Siebenjährige, indem ich über sie schreibe, oder hat es sie wirklich gegeben, und wenn ja, war sie vielleicht ganz anders, als ich sie beschreibe? Ist auch nur irgendetwas daran real oder sind es Chimären am Horizont eines glasklaren Föhntages? Wenn ich mich vor den Spiegel stelle, kann ich keine Spuren dieser Siebenjährigen in meinem Gesicht entdecken. Alles nur in meinem Kopf, seinem Universum und den Paralleluniversen.«
Margit Schreiner schreibt mit Vater. Mutter. Kind. Kriegserklärungen ein großes Lebensprojekt, ein Buch der Kindheit, des Erinnerns und ein Buch des Erwachsenwerdens, wie es in der deutschsprachigen Literatur bislang keines gibt. (© Schöffling Verlag)

Meine Meinung

Ich habe dieses Buch mit großem Vergnügen gelesen. Schon die Worte „Vater.Mutter.Kind“ im Titel erinnern an das beliebte Rollenspiel, das nicht nur Margit Schreiner in ihrer Kindheit spielte, sondern auch ich. Ebenso wie sie lebte und spielte auch ich in meiner Kindheit in einem viel zu kleinen „Höfle“ gemeinsam mit anderen Kindern aus der Nachbarschaft – wann immer es eben ging und erlaubt wurde. Wettpinkeln gehörte zwar nicht dazu, aber Verstecken oder „7 Leben“ standen dafür bei uns hoch im Kurs. Womit wir schon bei den Kriegserklärungen wären, die ja auch noch zum Titel gehören: Mit Sieben, in diesem Alter kommt man in der Regel in die Schule, beginnt der Ernst des Lebens. Margit Schreiner erlebt, wie sich dieser langsam auch in ihr Kinderleben einschleicht: Sei es die Demütigung durch die Verkäuferin, die ihr wegen eines simplen Rechenfehlers nur 10 der begehrten Stollwerckzuckerl anstatt 100 verkauft und zu allem Überfluss auch noch empfiehlt, fleißig rechnen zu üben oder den Kummer, weder einen besten Freund noch eine beste Freundin zu haben – Erwachsene verstehen diese Probleme in aller Regel nicht. Im Gegenteil: Sie verhalten sich wenig feinfühlig und das ist Grund genug, sich auf den Kriegspfad gegen sie zu begeben.

Ihre Erinnerungen verknüpft Margit Schreiner geschickt mit dem Eintritt ins siebte Lebensjahrzehnt, das ihrer Meinung nach weit unterschätzt wird. Sie führt das nicht nur darauf zurück, daß man plötzlich viel mehr Schlaf braucht oder der Rücken bei der Gartenarbeit plötzlich schmerzt, sondern auch daruf, daß man im siebten Lebensjahrzent meist in den Ruhestand geht und dann plötzlich mühsam lernen muss, nicht mehr dem Ernst des Lebens verpflichtet zu sein. Das stellt eine Schriftstellerin vor besondere Herausforderungen, aber eine Buchhändlerin durchaus auch, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann.

Wie Margit Schreiner diese beiden Lebensphasen miteinander verknüpft, wie sie sich erinnert und über das Erinnern reflektiert, das hat mir unheimlich gut gefallen. Humor und Ernst, Tragik und Glück liegen eng beieinander und sie schreibt mit einer Leichtgkeit, die mich beeindruckt hat.

Fazit: „Erinnerungen sind keinesfalls statisch. Sie verändern sich mit dem – oder derjenigen, der oder die sich erinnert.“ schreibt Margit Schreiner an einer Stelle. Wer Lust hat, sich auf kluge und gleichzeitig unterhaltsame Weise dem Thema Erinnerungsarbeit anzunähern sollte dieses Buch unbedingt lesen!

Das Gespräch, das sich im ersten Teil mit diesem Buch beschäftigt, können Sie hier anhören

Ein Gespräch mit mit Lesung, das Margit Schreiner im Literaturhaus Salzburg führte, können Sie hier anschauen (Video, 52,33 Min.)

Einen Eindruck von Sprache und Stil können Sies sich in dieser Leseprobe verschaffen

Wenn Sie Lust bekommen haben, das Buch zu lesen, können Sie es in den beiden Vaihinger Buchhandlungen buch+musik oder Vaihinger Buchladen bestellen oder herunterladen, die Links führen direkt in die jeweiligen Webshops. Beide Buchhandlungen bieten auch einen Lieferservice an.