Diesen Kriminalroman las ich im Rahmen meiner Juryarbeit für den Stuttgarter Krimipreis und bedanke mich beim Pendragon Verlag für das Rezensensionsexemplar.
Der Verlag beschreibt den Inhalt so: „Seit Jahren verschwinden junge Frauen indigener Herkunft spurlos entlang des Transcanada-Highways. Für die Polizei scheinen diese Verbrechen keine Priorität zu haben. Doch als die 15-jährige Jeanette Maskisin in Montreal tot aufgefunden wird und die Medien darüber groß berichten, werden die Ermittler LeRoux und Garner auf den Fall angesetzt. Ihre erste Anlaufstelle ist ein Cree-Reservat im hohen Norden Quebecs, aus dem Jeanette stammt. Dort stoßen die Polizisten auf Ablehnung, denn aus Sicht der First-Nation-Familien hat sich die Polizei nie für die vermissten Frauen interessiert. Die Ermittler kommen immer mehr in Bedrängnis, denn es werden weitere Opfer befürchtet und auch der Täter wird zur Zielscheibe – jemand hat blutige Rache geschworen.“ (© Pendragon Verlag)
Dieser Krimi hat mir gut gefallen. Angesiedelt im Norden Kanadas hat Autorin Frauke Buchholz für ihr Kimidebüt nicht nur einen besonderen Handlungsort ausgewählt, sondern auch ein Ermittlerduo, das nicht unbedingt sympathisch ist und das sich gegenseitig nicht ausstehen kann: Jean – Baptiste LeRoux, Sergeant der Sureté du Quebec, ist ein Mann, der gerne trinkt und den Frauen nachsteigt, was seine Ehe mit Sophie, die er eigentlich liebt, gefährdet. Ted Garner, der aus Regina in Kandas Westen hinzugezogen wird, ist Profiler, kann kaum Französisch und liebt Schopenhauer. Genau übrigens wie Sophie, die ein kleines Antiquariat mit Schwerpunkt Philosophie betreibt. Beide Männer sind sich auf Anhieb unsympathisch, müssen aber eng zusammenarbeiten, denn LeRoux‘ Chef Morel erwartet rasche Ergebnisse und die Öffentlichkeit macht Druck.
Und noch ein Dritter macht sich aus dem Cree – Reservat auf den Weg, um Jeannettes Mörder zu finden und sich zu rächen: Chogan Maskisin, der Cousin von Jeannette, der Jeanettes Vertrauter war und sich heftige Vorwürfe macht, weil er auf ihr letztes Lebenszeichen nicht reagiert hat.
Frauke Buchholz fand ihr Thema bei einem Aufenthalt in Montréal, deren einzigartige Mischung aus nordamerikanischer und französischer Kultur sie begeisterte. Das Setting war klar und eher zufällig las sie dann in einem Bericht über das Verschwinden nordamerikanischer indianischer Frauen auf dem Highway 16, der auch „Highway of Tears“ genannt wird. An diesem Highway verschwanden in den letzten 30 Jahren schon zahlreiche junge indianische Frauen und wurden teilweise später ermordet aufgefunden. Die Einsamkeit und Abgeschiedenheit der Reservate sowie die dort herrschende Armut treibt viele junge Menschen in die Großstädte, die sie nur per Bus oder Anhalter erreichen können. Viele Verschwundene werden auch nie mehr gefunden, weil die Täter ihre Opfer einfach am Strassenrand ablegen und die Leichen dann von Wildtieren gefressen werden. Man merkt dem Buch an, daß sich die Autorin intensiv mit dieser Thematik auseinander gesetzt hat und auch einige Zeit in einem Cree – Reservat gelebt hat.
Mit den 3 Männern, die versuchen, den Mörder von Jeannette und anderer Frauen zu finden, lernen wir als LeserInnen also auch viel über Kanada: Über die unterschwellige Rivalität zwischen englisch- und französischsprachiger Bevölkerung, aber auch über das Leben der First Nations, die nach wie vor in äußerst prekären Verhältnissen leben. Häusliche Gewalt, Alkohol- und Drogenmissbrauch sind bei ihnen an der Tagesordnung. Junge Menschen, vor allem Frauen, haben kaum eine Chance auf Bildung oder Erfolg im Beruf. Dabei verliert Frauke Buchholz ihre Krimihandlung nie aus dem Auge, die Handlung ist spannend und Ende gibt es einen aufregenden Showdown und ein Ende, bei dem manches offen bleibt.
Fazit: Ein lesenswertes Krimidebüt, das mich vor allem wegen der ruhigen, unaufgeregten Erzählweise, des sehr authentischen Hintergrunds und seiner Figuren überzeugt hat, auch wenn diese mir so wenig sympathisch waren wie sie sich selbst. Leseempfehlung!
Hier können Sie einen Blick in’s Buch werfen
Auf CULTURMAG können Sie ein ausführliches Interview mit Frauke Buchholz lesen, in dem viele Hintergundinformationen zur Sprache kommen und sie auch über ihre Arbeitsweise spricht.
Wenn Sie Lust bekommen haben, den Krimi zu lesen, können Sie ihn in den beiden Vaihinger Buchhandlungen buch+musik oder Vaihiner Buchladen bestellen oder herunterladen. Die Links führen direkt in die jeweiligen Webshops.