Dieses Buch entdeckte ich bei der Bundeszentrale für politische Bildung, auf deren Seite ich hin und wieder stöbere. Die Originalausgabe ist im avant-verlag erschienen.
Zwischen 1979 und dem Ende der DDR waren tausende von Männern und Frauen aus Mosambik in der DDR beschäfftigt. Sie wurden unter dem Vorwand, dort eine Ausbildung zu erhalten und erste Berufserfahrungen zu sammeln, die später, nach ihrer Rückkehr, dem sozialistischen Bruderstaat beim Aufbau eines unabhängigen Staates helfen sollte.
In Wirklichkeit jedoch wurden sie als billige Arbeitskräfte in den Wirtschaftsbereichen der DDR eingesetzt, in denen sonst niemand arbeiten wollte. Untergebracht in Wohnheimen am Rand der Städte, in denen restriktive Regeln galten (Ausgangsverbot, Frauen, die schwanger wurden, wurden sofort zurückgeschickt), lebten sie am Rande der Gesellschaft, wurden oft angefeindet und erhielten zu allem Überfluß nur 40% ihres Lohns. Die restlichen 60% sollten sie nach ihrer Rückkehr nach Mosambik bekommen. Nach ihrer Rückkehr jedoch mussten sie feststellen, daß das Geld irgendwo versickert war und ihre Arbeit in der DDR ihnen in Mosambik nichts brachte, da es die Industrien dort gar nicht gibt.
In dieser Graphic Novel werden 3 fiktive Biographien erzählt, die die Illustratorin Birgit Weyhe auf der Basis zahlreicher Interviews, die sie mit Rückkehrer*innen, aber auch mit Mosambikaner*innen, die in Deutschland geblieben sind, geführt hat. Sie zeigen exemplarisch den Zwiespalt, in dem diese Menschen leben: Ihr Zuhause ist zwar Mosambik, aber die Zeit in der DDR hat sie geprägt und wo ihre Heimat eigentlich liegt, wissen sie selbst nicht mehr.
Diese Graphic Novel hat mir sehr gut gefallen. Die Schicksale der 3 Mosambikaner*innen ging mir nahe: Der stille Toni, dessen eigentlichen Namen José Antonio niemand aussprechen kann, der fleissig und strebsam ist, Deutsch lernt, viel liest und überzeugter Sozialist ist. Sein Herz bricht, als sein Freund und seine Freundin ihn hintergehen. Trotzdem ist er derjenige, der nach seiner Rückkehr noch am ehesten klar kommt. Basilio, mit dem er sich das Zimmer teilt, ist genau das Gegenteil: Er ist gewillt, aus dieser Zeit in Deutschland das Beste zu machen, die Arbeit ist ihm weniger wichtig als sein Vergnügen. Nach seiner Rückkehr bleibt ihm nichts – er lebt mir seiner Familie vom Job seiner Frau. Und dann ist da noch Anabella, die davon träumt, Krankenschwester zu werden und kurze Zeit mit Toni glücklich ist. Als sie vom Tod ihrer Familie hört und kurz danach die Beziehung mit Toni zerbricht, bricht sie zusammen. Aber sie hat Glück und wird von einer Ärztin unterstützt, die ihr weiterhilft. Nach der Wende beschließt sie, Medizin zu studieren und in Deutschland zu bleiben.
Birgit Weyhe findet für diese Schicksale eine klare Sprache und ausdrucksstarke Bilder, die in olivgrün – schwarzen Farben gehalten sind. Dabei merkt man, daß sie selbst ihre Kindheit und Jugend in Afrika verbracht hat. Sie erzählt ausschließlich aus der Perspektive ihrer Figuren. Dabei zeichnet sie diese sehr einfühlsam und findet Bilder, die die Kühle und Sachlichkeit der DDR und die kräftigen Formen und Farben Afrikas sehr gut ausdrücken. (In dieser Leseprobe können Sie sich davon einen Eindruck verschaffen).
Der merkwürdige Titel „Madgermanes“ bedeutet übrigens „Die aus Deutschland zurückgekehrten“ und ist gleichzeitig der Name, unter dem sich die ehemaligen „Gast“arbeiter zusammengetan haben, um immer wieder zu demonstrieren und zu versuchen, doch noch die ihnen zustehenden Gelder zu bekommen.
Fazit: Eine Graphic Novel, die ein vergessenes Kapitel aus der Vergangenheit der DDR aufgreift und sehr gut umsetzt. Von den Madgermanes hatte ich noch nie gehört und ihr Schicksal ging mir nahe! Ausgezeichnet mit dem Comicbuchpreis der Berthold Leibinger Stiftung 2015 und dem Max-und-Moritz-Preis 2016 für den „Besten deutschsprachigen Comic”
In diesem Interview erzählt Birgit Weyhe etwas über die Entstehungsgeschichte des Comics und die Madgermanes
arte hat einen kurzen Film über Birgit Weyhe und ihre Graphic Novel gedreht, in der Sie auch einige Illustrationen sehen können.
Wenn Sie Lust bekommen haben, das Buch selbst zu lesen, können Sie es in den beiden Vaihinger Buchhandlungen buch+musik oder Vaihinger Buchladen bestellen. Die Links führen direkt zum Titel in den jeweiligen Webshops.
Die Bundeszemtrlae für politische Bildung vertreibt das Buch in einer kartonierten Sonderausgabe, die hier bestellt werden kann