Der Titel dieses Buches ist ungewöhnlich und ich war gespannt, was mich erwarten würde, als es auf der Lesliste für den Literaturkreis auf der Rohrer Höhe stand.
Im Mittelpunkt des Romans stehen 3 starke Frauen: Senta, ihre Tochter Evelyn und deren Enkeltochter Hannah. Hannah besucht ihre 94jährige Großmutter jeden Dienstag und diese Besuche sind einem strengen Ritual unterworfen: Dem Lamento, nicht mehr leben zu wollen, der Inspektion der besorgten Medikamente, der Nachfrage nach Hannahs Dissertation, dem Gießen der Blumen und dem Aufziehen der zahlreichen Uhren. Den krönenden Abschluss bildet das Reinigen der Jalousien. Aber dieses Mal ist etwas anders, denn Hannah findet einen Brief aus Israel, über den ihre Großmutter nicht sprechen will. „Alter Kram“ stehe in ihm. Im Tausch gegen das Einstellen des richtigen Fernsehsenders darf Hannah den Brief mitnehmen und damit verändert sich ihr Leben. Er enthält das Schreiben einer Anwaltskanzlei aus Tel Aviv, die auf die Recherche nach den Erben enteigneter jüdischer Kunstwerke spezialisiert ist. Und ihre Großmutter scheint die Erbin eines solchen Kunstvermögens zu sein, das allerdings verschollen ist. Aber Evelyn verweigert jede Antwort auf Hannahs Fragen.
In zwei weiteren Zeitebenen erfahren wir die Geschichte von Senta, der Mutter Evelyns, die Mitte der 1920er Jahre Mann und Tochter nach kurzer Ehe verlässt um nach Berlin zu gehen, wo sie den Sohn des Kunsthändlers Itzig Goldman heiratet. Evelyn bleibt bei ihrem Vater und dessen Schwester Trude, die ihr die Mutter ersetzen soll. Während Senta und ihr Mann in der Naziherrschaft in höchste Gefahr geraten, entwickelt sich Trude zu überzeugten Nationalsozialistin, die darüber hinaus alles dafür tut, Mutter und Tochter voneinander fern zu halten.
Das alles weiss Hannah zu Beginn des Romans nicht, sondern sie tappt zunächst im Dunkeln. Die Nachforschungen nach den verschwundenen Kunstwerken bieten ihr eine willkommene Ablenkung von der halblebig verfolgten Dissertation und der vor sich hindümpelnden Affäre mit ihrem Doktorvater. Mit ihr erfahren wir Leser:innen einiges über das mühsame Geschäft der Restitution. Daraus erklärt sich auch der ungewöhnliche Titel: Es ist die Beschreibung eines Bildes von Vermeer, das im Besitz von Sentas Schwiegervater war und das Senta Trude als Absicherung für Evelyns Tochter anvertraut hat und das Senta nach dem Krieg so beschreibt, als sie mit ihrem Mann einen Anwalt mit Schadenseratzansprüchen beauftragt.
Dies ist aber auch ein Roman über Mutterschaft. Senta ist eine Frau mit vielen Gaben und die ungeplante Schwangerschaft wirft ihre Lebensplanung über den Haufen. Sie kann für ihre Tochter kaum mütterliche Gefühle aufbringen. Ganz im Gegensatz zu Trude, die zu überzeugten Nationalsozialistin wird und deren Männerbeziehungen selbstzerstörerisch sind. Inn der Fürsorge für Evelyn kannsie ihre Muttergefühle. Evelyn steht zwischen beiden Frauen und das wirkt sich natürlich auf auf die Beziehung zu ihrer eigenen Tochter aus, die als alleinerziehende Mutter lieber auf Demonstrationen unterwegs war, als sich um ihre Tochter Hannah zu kümmern.
Mit Hannah erleben wir aber auch mit, was hinter den Kulissen des Wissenschaftsbetriebes laufen kann: Wie die Ergebnisse wissensaftlicher Forschung, die von Doktorant:innen erbracht werden von deren Doktorvätern als eigene Forschung verkauft werden und die Abhängigkeiten, in die sie geraten, wenn sie in den Universitäten Karriere machen wollen.
Mit hat dieser Debütroman gut gefallen. Er ist ein richtiger Schmöker: Spannend und mit glaubwürdigen Figuren. Er zeichnet sich allerdings nicht unbedingt durch literarische Raffinesse aus, dazu war der Aufbau für meinen Geschmack etwas zu statisch. Auch sprachlich ist er nicht herausragend, das mag daran liegen dass Alena Schröder Journalistin ist. Aber gerade das trägt sicher ganz wesentlich zu dem gut recherchierten vielschichtigen Hintergrund des Romans bei. Inspiriert für ihren Roman wurde Alena Schröder von der Geschichte ihrer eigenen Urgroßmutter und das macht die Geschichte dieser 4 ganz unterschiedlichen Frauen wahrscheinlich so besonders glaubwürdig und berührend.
Fazit: Ein spannender, lesenswerter Roman, der mich sehr gut unterhalten hat.
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Wenn Sie vorher ins Buch reinlesen wollen, finden Sie hier eine Leseprobe