Im November 2024 war Isabel Bogdan auf den Stuttgarter Buchwochen und stellte im Gespräch mit Wolfgang Tischer ihren neuen Roman „Wohnverwandschaften“ vor. Ich freute mich, die Autorin wiederzusehen, die im April 2016 bei uns in der Buchhandlung zu Gast gewesen war, um über ihre Arbeit als Übersetzerin und Autorin zu sprechen.

In ihrem neuen Roman dreht sich alles um eine Wohngemeinschaft. Aber es ist keine Studenten-WG, wie sie viele kennen, sondern es sind vier ganz unterschiedliche Menschen, die da gemeinsam in einer Wohnung leben. Da ist Jörg, ein Witwer, dem die Wohnung gehört und der eine große Reise plant: Durch die Türkei nach Georgien soll es gehen. Murat, Techniker und Hobbykoch. Er liebt es, für alle zu kochen, am liebsten mit dem Gemüse, das er in seinem Garten gezogen hat. Anke, eine Schauspielerin um die 50, die kaum noch Rollenangebote bekommt und sich mit Aushilfsjobs über Wasser hält. Und Constanze, Zahnärztin und frisch getrennt, die aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist mit samt ihrem Klavier, das eigentlich gar keinen Platz in ihrem Zimmer hat. Sie ist der Neuankömmling in der WG und wie das in Gruppen so ist – ihr Einzug verändert das Zusammenleben. Sie alle haben in Jörgs Wohnung ein bezahlbares Zuhause gefunden, denn Wohnungen sind teuer in Hamburg.

 

Isabel Bogdan auf den Stuttgarter Buchwochen (© Foto: Susanne Martin)

Wie Isabel Bogdan das schreibt, hat mir sehr gutgefallen. Sie gibt den einzelnen Protagonist:innen ihre eigene Stimme, immer wieder kommen aber auch mehrere zu Wort. Diese Dialoge lesen sich dann wie in einem Theaterstück. So kommen wir Lesenden ihnen nahe, erleben aber auch die Dynamik, die sich zwischen ihnen entfaltet. Bei der Lesung stellte sie bei den verschiedenen Lesepassagen jeweils ein Namenschild vor sich auf den Tisch, so dass das Publikum sah, wer gerade spricht.

Das eigentliche, große Thema, schält sich immer deutlicher heraus: Jörgs zunächst scheinbar harmlose Vergesslichkeiten stellen sich als rasch fortschreitende Demenz heraus. Im Gespräch mit Wolfgang Tischer antwortete sie auf die Frage, wie sie auf das Thema gekommen ist, dass die alternden Eltern und damit auch ein Thema wie Demenz in ihrem Freundeskreis ein Riesenthema ist. So erkläre ich mir auch die einfühlsame, sehr berührende aber auch realistische Art, wie sie Jörg, der sich immer mehr verliert, eine Stimme gibt. Wenn er in seiner Bibliothek steht, ratlos die Bücher betrachtet, die er doch alle einmal gelesen hat und sich fragt, was es eigentlich mit diesem Pumuckl auf sich hat, dann geht das unter die Haut. Seinen Mitbewohner:innen Constanze, Anke und Murat wird immer klarer, dass sie nicht nur einen Weg finden müssen Jörg zu betreuen, sondern auch, dass aus ihrem Zusammenleben längst mehr geworden ist als eine Zweckgemeinschaft, nämlich eine Art Familie – Wohnverwandschaften eben. So erklärt sich auch der Titel des Buches, der zunächst nur ein Arbeitstitel war. Aber sie wissen auch, dass sich diese Wohngemeinschaft in nicht allzugroßer Ferne auflösen wird. Bevor es jedoch soweit ist, werden sie gemeinsam Jörg so viele schöne Momente verschaffen, wie es ihnen möglich ist.

Ein Roman, der mich gefesselt und sehr berührt hat – absolut lesenswert!

Wenn Sie Lust bekommen haben, das Buch zu lesen, können Sie es im Vaihinger Buchladen bestellen oder herunterladen. Der Link führt direkt zum Titel im Webshop.