Irene Dische läßt ihre eigene Großmutter die Familiengeschichte erzählen. Praktisch das gesamte 20. Jahrhundert lang beobachtet und kommentiert diese Leben und Charaktere ihrer Familie.
Hauptperson sind u.a. die Frauen: Großmutter Elisabeth, die sich in 96 Jahren bis kurz vor ihrem Tod nie gelangweilt hat (!), Tochter Renate und Enkelin Irene sowie deren jeweilige Ehemänner.
Selbst aus dem schlesischen Bürgertum stammend und tief im katholischen Glauben verwurzelt, heiratet Elisabeth einen katholischen Arzt jüdischer Abstammung. Dies ermöglicht ihr zunächst ein standesgemäßes Leben. Es führt sie und alle zukünftigen Familienmitglieder aber auch in eine lebenslange Auseinandersetzung zwischen Katholizismus und Judentum. Politisch desinteressiert will das Paar die Gefahr des Nationalsozialismus anfangs nicht wahrhaben und hofft auf Schutz durch die katholische Kirche.
Es ist die bodenständige Hausangestellte Liesel, ein überaus starker und wundervoll gezeichneter Charakter des Buches, die die Zeichen richtig deutet. Ohne deren Tatkraft wären weder die rechtzeitige Flucht ins New Yorker Exil geglückt noch die ’standesgemäße’ Weiterführung eines ordentlichen schlesischen Haushalts in Amerika, wo die Familie für immer bleiben sollte.
Dem Leser ermöglicht dies Buch eine ungewöhnliche Sicht der Enkelgeneration durch die Brille einer ’coolen’ Oma: wo anscheinend Konvention der Alten und Protestlust der Jungen aufeinanderprallen, wiederholt sich im Grunde nur die Individualität und Charakterstärke der neuen Generation der Familie.
Das besondere ist die Lebenslust dieser Großmutter: ihr unverwüstlicher Humor, ihre warmherzige Toleranz und der schnoddrige Erzählstil machen diesen Roman zu einer kurzweiligen, lebensbejahenden Lektüre.