Celestes Welt lebt nach klaren Regeln und das kommt ihr, die die Schönheit von Logik und Mathematik schätzt, sehr entgegen. Neben der staatlichen Gerichtsbarkeit gibt es noch die Gilde – eine Art Inquisition, die darauf achtet, dass Menschen sich gegenüber ihren Mitmenschen anständig verhalten und Verstöße gegen diesen Anstand ahndet. Es ist ein System, dass Celeste nicht infrage stellt – bis sie eines Tages einem alten, kranken Mann im Bus helfen will, der von der Gilde als „Fehlerhafter“ verurteilt wurde. Hilfestellung für Fehlerhafte gilt aber selbst als fehlerhafte Entscheidung – und zu ihrem Entsetzen muss Celeste sich für ihr Verhalten vor der Gilde verantworten. Während sie anfangs noch denkt, der Oberste Richter der Gilde, der auch der Vater ihres Freundes ist, würde ihr helfen, muss sie bald feststellen, dass sie zum Spielball für verschiedene politische Lager geworden, die sie alle als Aushängeschild für ihre Sache gewinnen wollen. Als Celeste darauf beharrt, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, wird sie verurteilt: Die Strafe für fehlerhaftes Verhalten sind „F“s, die der Person gut sichtbar eingebrannt werden: an der Schläfe, der Hand, der Fußsohle, auf der Zunge oder auf der Brust – je nach Art der Fehlerhaftigkeit. Celeste soll alle fünf Brandmale erhalten – so viele wie noch niemand vor ihr. Ganz offensichtlich will der Richter an ihr ein Exempel statuieren. Als sie auch während der Markierung nicht klein bei gibt oder widerruft, verliert er die Beherrschung und drückt ihr noch ein sechstes Brandmal auf – ohne Rücksprache mit den anderen Richtern der Gilde, ohne offizielles Urteil, ohne Betäubung.

Anfangs kann Celeste kaum mit der Schande leben, doch nach und nach erkennt sie, dass sie mit dem sechsten Brandzeichen etwas gegen den Richter in der Hand hat – und sie beginnt zu kämpfen.

Ein großartiges Jugendbuch, dass sich klug und differenziert mit der Frage beschäftigt, was Menschen fehlerhaft macht, welche Verantwortung man ihnen noch einräumt und ob man ihnen die Chance geben darf, aus ihren Fehlern zu lernen. Für mich ist dieser Jugendroman einer der wenigen würdigen Nachfolger der Tribute von Panem – unbedingt lesen!