Dieses Buch hätte ich nie gelesen, wenn es nicht Lektüre für den Lesekreis gewesen wäre. Vor allem hätte ich es, wenn nicht der Termin gewesen wäre, nicht fertig gelesen. Aber wie das eben so ist – ein Lesekreis sorgt immer wieder dafür, daß man sich mit Büchern beschäftigt, die man oder frau sonst nicht zur Hand nehmen würde und das ist für mich eine Hauptmotivation, daran teilzunehmen.

Der Inhalt

Gilbert Silvester, Privatdozent und Bartforscher im Rahmen eines universitären Drittmittelprojekts, steht unter Schock. Letzte Nacht hat er geträumt, dass seine Frau ihn betrügt. In einer absurden Kurzschlusshandlung verlässt er sie, steigt ins erstbeste Flugzeug und reist nach Japan, um Abstand zu gewinnen. Dort fallen ihm die Reisebeschreibungen des klassischen Dichters Bashō in die Hände, und plötzlich hat er ein Ziel: Wie die alten Wandermönche möchte auch er den Mond über den Kieferninseln sehen. Auf der traditionsreichen Pilgerroute könnte er sich in der Betrachtung der Natur verlieren und seinen inneren Aufruhr hinter sich lassen. Aber noch vor dem Start trifft er auf den Studenten Yosa, der mit einer ganz anderen Reiselektüre unterwegs ist, dem Complete Manual of Suicide. (Klappentext Suhrkamp Verlag)

Meine Meinung

Wie schon erwähnt: Hätte es den Termin nicht gegeben, hätte ich das Buch nicht fertig gelesen. Selten konnte ich mit einem Buch so gar nichts anfangen wie mit diesem, selten hat mich eine Hauptfigur so genervt wie dieser Gilbert, den ich als pubertär empfand und selten fand ich einen Aufhänger für eine Geschichte so doof. Mir war klar: Ich hatte da irgendetwas überhaupt nicht verstanden und erhoffte mir Aufschluss in der Leserunde.

Und die bekam ich. Mir wurde klar, daß man, um diesen Roman wenigstens ansatzweise verstehen zu können, viel über die japanische Kultur und Lebensweise wissen muss. So wusste eine Teilnehmerin, daß Träume für Japaner eine ganz andere Bedeutung haben als für uns, auch in der klassischen japanischen Literatur spielen Träume eine Rolle, oft vermischen sich Wirklichkeit und Traum. Unter diesem Aspekt bekamen manche Szenen eine andere Bedeutung für mich, vor allem was die Rolle des jungen Mannes Yoso angeht. Mit ihm sucht Gilbert verschiedene Stätten auf, die bei japanischen Selbstmordkandidaten besonders beliebt sind. Diskutiert haben wir, ob Yosa überhaupt existiert oder ob er nicht eine Art zweites Ich von Gilbert sein könnte. Und auch der Anfang des Buches, nämlich daß Gilbert aufgrund eines Traumes zu einer scheibar völlig irrationalen Handlung getrieben wird, liest sich mit diesem Wissen noch einmal ganz anders.

Gilbert verabscheut zu Beginn des Romans auch Tee, für ihn „spielt sich in den Teeländern alles unter einem Schleier des Mystik ab“. Gelernt habe ich, daß die japanische Teezeremonie eigentlich Teil eines Teeweges ist, eine Art Meditation auf der Suche zu sich selbst. So lehrt es der Zen-Buddhismus und so lässt sich auch Gilberts Reise in Japan verstehen. Er nähert sich immer mehr an sein Innerstes an, am Ende scheint er es auch gefunden zu haben.

Das sollen nur zwei Beispiele dafür sein, warum ich mich doch mit dem Roman anfreunden konnte. Dazu beigetragen haben auch die schöne Sprache, die Naturbeschreibungen und der Humor, der in manchen Szenen durchblitzte. Und man merkt, daß die Autorin Lyrikerin ist – es finden sich einige Haikus im Buch, die mir sehr gut gefallen haben!

Fazit: Ein interessanter und vielschichtiger Roman, für dessen Leküre ich von vornherein meine europäische Sichtweise hätte verlassen und mich auf die japanische Art, die Dinge zu sehen einlassen sollen. Wer gleich mit dieser Voraussetzung an die Lektüre geht, wird sicher von vonherein einen ganz andere Zugang zu ihm bekommen!

In diesem Artikel der Zeit können Sie etwas über die Autorin Marion Poschmann und ihren Roman nachlesen

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