Für Schiller Buch‘s Jubiläumsaktion „Mein Buch der Bücher“ habe ich doch jetzt tatsächlich, den Roman, der mir dazu einfällt, Connie Palmens „Freundschaft“ nach 12 Jahren wieder gelesen. Ich glaube, es war auch eines der wenigen Bücher, die ich nach dem erstmaligen Lesen gleich nochmals gelesen habe, um die angelegten Dimensionen angemessen zu verstehen.
Schon die Einführung der Figur der Ara Callenbach durch die Ich Erzählerin Kit macht deutlich, daß dieser Mensch prägenden Einfluss auf das Leben von Kit haben wird:
„Der Schulhof war mit einer niedrigen Steinmauer eingefasst, und an dieser Mauer lehnte sie. Es war ein außergewöhnlich warmer Frühsommer, wenige Wochen vor Ende des Schuljahres 1965/66 und wir waren zappelig und aufgekratzt wegen des schönen Wetters und weil die großen Ferien bevorstanden. Als um Viertel vor elf ein Mädchen aus der sechsten Klasse die Pause einläutete und ich nach draußen rannte, sah ich sie. Sie trug einen dicken, schwarzen Wintermantel, der ihr bis zu den Knöcheln reichte. Und das bei Temperaturen um die zwanzig Grad.
Sie stand da, wie ich noch nie jemanden hatte da stehen sehen, mit souveräner Lässigkeit: herausfordernd, stolz und unbeteiligt. Der Schulhof war noch so gut wie leer, und sie herrschte über diese Leere. Ich blieb stehen, um sie ansehen zu können und weil ich es plötzlich kindisch fand mit dem anderen aus meiner Klasse zu spielen.“
Es zeigt sich schon hier, dass es sich um eine Coming of Age Geschichte handelt. Die beiden Hauptfiguren sind als Gegensatzpaar strukturiert, Kit ist die Kleinste, schmalste, sehr intelligent, wortgewandt aber auch unsicher. Ara ist ein Jahr älter, korpulent, der Natur verbunden, tierlieb und hat eine Lernschwäche. Die Zeitspanne ist der erwähnte 5. Klasse bis kurz vor Beendigung des Studiums, deren Abschlussarbeit sich auf philosophisch psychologischen Gebiet mit dem Thema der Freundschaft, Liebe, Sucht, Tod, Familie und weitere bedeutungsschweren Themen beschäftigt. Der Erzählerin scheint es mit dem Studium zu gelingen ihre durchaus schwierige geistig – körperliche Beziehung zu Ara aber auch all die anderen Verbindungen in ihrem Leben intellektuell zu verstehen und zu verarbeiten. Und es wird angedeutet, dass das Berufsziel nicht die wissenschaftliche Analyse, sondern das der AutorInnenschaft ist.
Der in drei Teile gegliederte mit „Wörter und Dinge“, „Essen und Trinken“ , „Arbeit und Liebe“ überschriebene Roman hat mich durchaus nochmals gepackt, obwohl es für jedes Buch eine richtige Zeit gibt. Und die war für mich eher vor 12 Jahren als heute. Aber jedeR der Entwicklungsgeschichten mit philosophisch-psychologischem Hintergrund mag, wird hier definitiv auf seine Kosten kommen können. Und welches Buch schafft es schon von mir 3 gelesen zu werden?