Der Süden – mit diesem Wort verbinden wir doch fast alle eher angenehme Assoziationen. Wir denken an Sonne, Licht, Wärme, vielleicht auch an Strand und das Meer. Mit dem Süden assoziieren wir Urlaub und, wenn der Urlaub wieder mal vorbei ist, die Sehnsucht nach dem Urlaub.
Der Autor Dieter Richter, der schon einige Bücher zur europäischen Kulturgeschichte geschrieben hat, versucht sich in seinem neuesten Buch seiner Lieblingshimmelsrichtung auf kulturhistorischem Wege zu nähern. Und er versucht es nicht nur, es ist ihm auch auf beeindruckende Weise gelungen.
Wie jedes ordentliche Sachbuch ist auch dieses in verschiedene Kapitel unterteilt, die man am besten der Reihe nach liest, denn wie der Titel des Buches schon andeutet, handelt es sich um die Geschichte einer Himmelsrichtung und die Kapitel bauen chronologisch aufeinander auf.
Der Autor nimmt seine Leser mit auf eine Zeitreise von der Antike bis heute. Zu Beginn stellt er uns kurz die drei anderen Himmelsrichtungen vor, um sich dann ausführlich dem Süden zu widmen.
In den folgenden zwölf Kapiteln erfahren wir, wie sich die Sichtweise auf den Süden über die Jahrhunderte verändert hat und wie unterschiedlich die verschiedenen Kulturen den Süden verstanden haben. Ich werde erst gar nicht versuchen, den komplexen Inhalt der Kapitel wieder zu geben, aber ein paar Beispiele habe ich mir herausgepickt, damit es etwas anschaulicher wird.
Ein Kapitel handelt vom Süden der Pilger: Im Mittelalter war der Süden in der theologischen Überzeugung die Himmelsrichtung der göttlichen Gnade. Und aus diesem Grund lagen auch die drei wichtigsten Pilgerziele im Süden – von Mittel- und Westeuropa aus gesehen. Die wichtigsten Pilgerziele waren Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela. Mit der Pilgerreise begann also strenggenommen der Reisetrend gen Süden, der ja bis heute anhält. Und Souvenirs haben sie sich damals auch schon mitgebracht von ihrer Pilgerreise, z. B. war die Jakobsmuschel als Mitbringsel sehr beliebt seinerzeit.
Ein weiteres Kapitel handelt vom exotischen Süden: Südimporte wie z. B. die Palme wurden zum Statussymbol für die Adelshäuser. Man richtete sich Palmengärten ein und fand das sehr exotisch. Und auch eine andere Pflanze wurde zum Sinnbild des Südens: die Apfelsine. Die Portugiesen brachten den „China-Apfel“ von ihren Entdeckungsreisen mit und die Frucht gelangte über die iberische Halbinsel bis nach Italien. Das Zeitalter der Orangerien begann.
Der Autor hat für sein Buch auch einige Quellentexte zusammen gesammelt. Ein besonders schöner Text ist ein Ausschnitt aus dem barocken Lehrbuch für die Anlagen von Orangengärten aus dem Jahr 1728. Da heißt es so schön: „Man muss sich vor allem, was nördlich ist, hüten.“
Dieter Richter zeigt uns in seinem Buch die vielen Facetten des Südens und nach der Lektüre des Buches fühlt man sich darin bestätigt, dass der Süden nicht nur einfach eine Himmelsrichtung ist, sondern viel mehr.
Ein Buch für anspruchsvolle Leser, die sich für Kulturgeschichte im Allgemeinen und für den Süden im besonderen interessieren. Und auch ein besonders schön gestaltetes Buch, das sich mit seinem orangefarbenen Leineneinband hervorragend als Geschenk eignet.
Radio Bremen führte ein Gespräch mit Dieter Richter, das Sie in 5 Teilen hier anhören können.