Anke Stelling ist in Stuttgart – Vaihingen wohlbekannt, war doch ihre Mutter in den 80er Jahre eine der beiden Gründerinnen des Vaihinger Buchladens. Sie wurde zur erfolgreichen, mehrfach ausgezeichneten Schriftstellerin und lebt heute in Berlin. Die Auswahl in einem meiner Lesekreise fiel auf ihr 2019 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichneten Roman, weshalb ich endlich einmal ein Werk von ihr las.

Der Inhalt

Ich greife wieder einmal auf den Klappentext des Verlages zurück, denn so aussagekräftig könnte ich den Inhalt des Buches nicht darstellen:

Resi hätte wissen können, dass ein Untermietverhältnis unter Freunden nicht die sicherste Wohnform darstellt, denn: Was ist Freundschaft? Die hört bekanntlich beim Geld auf. Die ist im Fall von Resis alter Clique mit den Jahren so brüchig geworden, dass Frank Lust bekommen hat, auszusortieren, alte Mietverträge inklusive. Resi hätte wissen können, dass spätestens mit der Familiengründung der erbfähige Teil der Clique abbiegt Richtung Eigenheim und Abschottung und sie als Aufsteigerkind zusehen muss, wie sie da mithält. Aber Resi wusste’s nicht. Noch in den Achtzigern hieß es, alle Menschen wären gleich und würden durch Tüchtigkeit und Einsicht demnächst auch gerecht zusammenleben. Das Scheitern der Eltern in dieser Hinsicht musste verschleiert werden, also gab’s nur drei Geschichten aus dem Leben ihrer Mutter, steht nicht mehr als ein Satz in deren Tagebuch. Darüber ist Resi reichlich wütend. Und entschlossen, ihre Kinder aufzuklären, ob sie’s wollen oder nicht. Sie erzählt von sich, von früher, von der Verheißung eines alternativen Lebens und der Ankunft im ehelichen und elterlichen Alltag. Und auch davon, wie es ist, Erzählerin zu sein, gegen innere Scham und äußere Anklage zur Protagonistin der eigenen Geschichte zu werden. (© Verbrecher Verlag)

Meine Meinung

Anke Stelling spricht in ihrem Buch Fragen an, die es wert sind, diskutiert zu werden. Geprägt von ihrer Kindheit in Stuttgart als Tochter von Eltern, die an die Ideale glaubten, daß alle Menschen die gleichen Chancen haben, die jedoch merkten, daß das nicht so ist und versuchten, ihre Kinder vor dieser Erkenntnis zu bewahren. So sieht es jedenfalls Anke Stelling’s Resi in ihrem literarischen Erguss, die von einem Literaturkritiker als Suade bezeichnet wird. Die Kündigung des Untermietvertrages, den sie mit einem Freund aus ihrer Clique abgeschlossen hat ist die Ursache für ihre Nachdenken über ihre Jugend, ihr Verhältnis zur Mutter und über ihr Verhältnis zu ihren eigenen Kindern. Sie will es auf jeden Fall besser machen, als ihre Mutter und ihre Kinder vorbereiten auf das Leben und auf die Ungerechtigkeiten, die es bereit halten wird.

Sie fragt sich aber auch, wie es soweit kommen konnte, daß sie und ihre Freund*innen, mit denen sie aus Stuttgart nach Berlin ging, so entfremden konnten. In einem Zeitungsartikel hat sie ihnen den Spiegel vorgehalten, erzählt von den Erbschaften, die sie, obwohl sie es in ihrer Jugend nie wollten, doch angenommen haben, um ein gemeinsames Wohnprojekt zu gründen, dem sie, Resi, sich jedoch nicht angeschlossen hat. Diesen Artikel verzeihen ihre Freund*innen ihr nicht und so ist sie nun gezwungen, eine Wohnung für sich und ihre Familie zu finden – daß die nicht mehr im Zentrum Berlins, sondern in einem Außenbezirk liegen wird, in dem sie eigentlich nie wohnen wollte, liegt auf der Hand.

Diese Fragestellungen fand ich allesamt wichtig und absolut diskussionswürdig. Was mir hingegen überhaupt nicht gefallen hat, ist die literarische Form, die die Autorin dafür gewählt hat. Es ist ein einziges Jammern und Klagen, das mir irgendwann nur noch auf die Nerven ging. Dazu projiziert sie in meinen Augen vieles in die Handlungsweisen ihrer Eltern hinein – aber das mag vielleicht auch nur mir so vorkommen, die dieser Elterngeneration wahrscheinlich deutlich näher ist. Ich hätte mir zudem noch eine weitere Perspektive als Ergänzung gewünscht. Trotzdem habe ich das Buch bis zum Ende gelesen – kleine Passagen, die mir gut gefielen, zudem eine gekonnte Sprache, zogen mich dann doch immer noch einmal weiter.

Fazit: Anke Stelling greift wichtige Fragen auf, aber für mich war es nicht die richtige literarische Form. Das mag anderen Leser*innen ganz anders gehen, die unterschiedliche Resonanz im Feuilleton macht das deutlich. Am besten machen Sie sich also ihr eigenes Bild!

Wenn Sie Lust bekommen haben, das Buch zu lesen, können Sie es in den beiden Vaihinger Buchhandlungen buch+musik oder Vaihinger Buchladen bestellen oder herunterladen. Die Links führen direkt zum Buch in den jeweiligen Webshops.

Hier können Sie in’s Buch reinlesen

Zum Roman gibt es auch eine Adaption für’s Theater, die im Kammertheater zu sehen war. Für die Spielzeit 2020 sind weitere Termine geplant. Informationen finden Sie hier

Einen Überblick über die verschiedenen Rezensionen zum Buch finden Sie auf perlentaucher.de