Über das Kinderkriegen und das Leben mit Kindern gibt es unzählige Ratgeber, die pädagogisch sicher durchaus wertvoll sind. Aber sind sie auch realistisch? Spiegeln sie das reale Familienleben wirklich wieder oder fällt nicht doch ziemlich viel Familienwirklichkeit unter den Tisch?
Diese Frage beschäftigte Julia Heilmann und Thomas Lindemann bei der Btrachtung der zahlreichen Bücher in ihrem Regal, in denen sie sich nicht wiederfanden. Deshalb haben sie ein ehrliches Elternbuch geschrieben. Schon der Titel ihres Buches „Kinderkacke“ wiest darauf hin, dass hier nichts verklärt und verschwiegen wird, sondern Klartext gesprochen bzw. geschrieben wurde. „Kinder sind kleine Monster und sehr sehr anstrengend. Das Sexleben liegt darnieder, die Schwiegereltern nerven, die Freunde melden sich nicht mehr, das Geld ist knapp und die staatliche Hilfe ein Witz.“ So lautet der Klappentext, den Hoffmann und Campe Verlag, in dem das Buch erschienen ist, formuliert hat. Erstaunlich, dass Julia Heilmann und Thomas Lindemann nach dem ersten Kind nicht gleich Schluß gemacht haben, sondern inzwischen schon 2 Kinder haben. In manchen Presseberichten war gar zu lesen, dass sie über ein drittes Kind nachdenken!
In ihrem Buch reflektieren sie über verschiedene Themengebiete wie z.B. „Der äußere Kampf – Deutschland ist kein Kinderland“ oder „Der innere Kampf – Angst essen Eltern auf“. Dabei kommen kapitelweise immer entweder Vater Thomas oder Mutter Julia zu Wort. Sie erzählen amüsant und provozierend von ihren eigenen Erfahrungen und von Erfahrungen, die befreundete Familien gemacht haben. Wir lesen, wie man sich als Vater im Kindercafé Wolkenzwerg fühlt, wie man sich als Mutter fühlt, wenn man beim PEKIP aus Versehen einschläft oder wie familienfreundlich die sogenannten Kinderabteile wirklich sind. Nur bei einer Kapitelüberschrift ging mir persönlich die Provokation entschieden zu weit: Den Abschnitt über die Geburt aus Vatersicht mit „Erinnerung an Stalingrad“ zu überschreiben finde ich schlicht geschmacklos und wundere mich, dass hier das Lektorat des Verlages nicht eingegriffen hat. So ein Vergleich ist einfach unpassend, vor allem, weil die beschriebenen Erfahrungen wenig bis nichts mit den Kriegserfahrungen der Menschen, die Stalingrad erlebt haben zu tun haben.
Von diesem Fauxpax einmal abgesehen finde ich „Kinderkacke“ ein wichtiges und wahrhaft ehrliches Buch, dem man viele Leserinnen und Leser wünschen möchte!
Im November 2010 habe ich das Ehepaar auf den Stuttgarter Buchwochen getroffen und ein kurzes Gespräch mit ihnen geführt. Sie können es hier anhören
Es gibt auch ein Facebookseite zum Buch