„Es gibt Menschen“, sagte er, „die sind oben; das sind Gewinner. Und Menschen, die sind unten: Die Verlierer.“ Und wenn man sich weigert, das zu akzeptieren? „Dann“, sagte der Coach, „heißt es ganz schnell: EDEKA: Ende der Karriere.“
Diesem Coach begegnete die Autorin in einem 5 – Sterne Hotel in Griechenland bei einem Auswahlverfahren der Unternehmensberatung McKinsey, bei der sie sich zu Recherchezwecken beworben hatte. Julia Friedrich hielt nach diesem 4 tägigen „Edel – Assessment – Center“ und einem Auswahltag in Berlin einen Arbeitsvertrag in der Hand: Mit einem Jahresgehalt von 67 000 Euro und einem Dienstwagen hätte sie beginnen können. Nach Zögern und Zaudern entschied sie sich dagegen, zur Elite zu gehören, aber das Thema ließ sie nicht mehr los. Und so wurde das Edel – Assessment – Center der Anlass für eine 1 – jährige intensive Recherche über die jungen Eliten in unserer Republik.
Sie besuchte dabei verschiedene Schulen in Deutschland, die sich auf die Fahnen geschrieben haben, die zukünftige Elite Deutschlands auszubilden: Die European Business School, die Bayerische Elite Akademie, das Maximilianeum, das Internat Salem und andere. Was sie dort fand ist zwiespältig: Junge Leute, die kein Problem damit haben, sich selbst als Elite zu bezeichnen, die soziales Engagement zeigen, weil sie damit Punkte erreichen können, die ihnen ein besseres Praktikum an einem interessanteren Ort als in der Ukraine verschaffen. Kritische Geister, die sich fragen, was Elite eigentlich sein könnte, fand sie kaum, denn die StudentInnen und SchülerInnen leben im Grunde genommen in der abgeschlossenen Welt ihres Campus und haben kaum noch Kontakt zu dem, was ich einmal salopp als „das normale Leben“ bezeichnen möchte.
Bei der Lektüre dieses Buches hatte ich sehr gemischte Gefühle. Manches wollte ich kaum glauben, z.B. die Unverblümtheit, mit der hier teilweise Elite mit materiellem Wohlstand gleichgesetzt wurde. Dabei ist klar: Diese Schulen und Universitäten können sich nur Kinder leisten, deren Eltern einen entsprechenden finanziellen Hintergrund haben. Auch die Tatsache, dass man sich selbst als Elite bezeichnet hat mich irritiert, dass also die Menschen, die schon zur Elite gehören, die Kriterien aufstellen, nach denen in Elite oder Nicht – Elite eingeteilt wird.
Bei manchem hätte ich mir aber auch etwas mehr Tiefgang gewünscht. So spricht die Autorin (sicher bewusst) nur mit SchülerInnen und StudentInnen, mit jungen Leuten also, die anstreben, zur Elite zu gehören. Ich habe mich aber immer wieder gefragt, ob es ihnen denn gelingen wird, mit den Eigenschaften, die sie meinen, dabei an den Tag legen zu müssen (Zielstrebigkeit, Fleiß, Beziehungen) dieses Ziel wirklich zu erreichen. Spannend wäre es also gewesen, wenn sie auch noch Gespräche mit AbsolventInnen dieser Schulen und Universitäten geführt hätte, deren Abschluß bereits einige Jahre zurückliegt und etwas über deren Erfahrungen zu lesen.
Insgesamt jedoch finde ich dieses Buch eine sehr lohnende Lektüre für alle, die sich mit dem Begriff Elite und seiner Bedeutung in unserer Gesellschaft beschäftigen wollen. Hierfür liefert das Buch zwar keine Definition des Begriffs, aber eine sehr gute Diskussionsgrundlage.