An dieses Buch wollte ich mich zuerst gar nicht heranwagen – zu groß war meine Sorge, daß es sich um einen voyeuristischen Reißer handeln könnte. Oder was würde Sie erwarten, wenn Sie in der Inhaltsangabe lesen, daß es sich beim Inhalt dieses Romans um einen Prozess handelt, in dem ein Seemann vor Gericht steht, der den Überlebenden eines Schiffbruchs das Überleben ermöglicht, indem er anfängt, einen Bootsinsassen nach dem anderen zu töten, damit die anderen sich von deren Fleisch ernähren können? Von den ursprünglich 14 Überlebenden werden am Ende nach 40 Tagen auf offener See 6 Menschen von einem Frachter aus der See gefischt.
Aber der Autor D.W.Buffa widersteht der Versuchung, die dramatischen Szenen des Überlebenskampfes zum Thema seines spannenden Gerichtsromans zu machen. Das Gericht, vor dem der angeklagte Vincent Marlowe, Kapitän der untergegangenen, hochmodernen Segelyacht „Evangeline“ steht, muß vielmehr darüber entscheiden, ob Marlowe als Mörder zu verurteilen ist, oder ob es sich um Morde wegen Notstandes handelt und Marlowe damit freizusprechen ist. Aus der Perspektive verschiedener Zeugen werden wir nun in das Geschehen hineingezogen und erfahren, was sich auf hoher See abgespielt hat. Immer wieder verändert sich die Perspektive und am Ende des Romans steht nicht nur die Jury vor einer unlösbaren Aufgabe. Auch wir als Leserschaft wüßten nicht, wie wir entscheiden würden – weder im Rettungsboot noch auf der Geschworenenbank.
Dies ist ein extrem spannendes Buch, das gleichzeitig ein Thema hat, das wirklich unter die Haut geht und damit im Gedächtnis bleibt. Unbedingt empfehlenswert!