Als dieses Buch als Leseexemplar in unsere Buchhandlung kam, wurde ich durch den Schutzumschlag aufmerksam und den Klappentext neugierig. Da stand nämlich etwas ganz untypisches drin:
„Normalerweise geben wir an dieser Stelle ein paar Hinweise auf den Inhalt, aber bei diesem Buch – so glauben wir – ist es besser, wenn man nicht weiß, worum es geht. Wer zu lesen beginnt, begibt sich auf eine Reise mit einem neunjährigen Jungen namens Bruno. (Und dennoch ist es kein Buch für Neunjährige.) Früher oder später kommt er mit Bruno an einen Zaun. Zäune wie diese existieren auf der ganzen Welt.“
Dieser Text im Zusammenhang mit dem Schutzumschlag ließ mich schnell ahnen, was für eine Geschichte hier erzählt werden könnte. Bereits nach wenigen Sätzen konnte ich nicht mehr aufhören. In ganz einfacher, fast karger Sprache wird die Geschichte des 9 jährigen Bruno erzählt, dessen Vater vom Furor befördert wird in eine ganz wichtige Position. Die Familie muß Knall auf Fall aus dem schönen großen Haus in Berlin wegziehen in ein viel kleineres, ziemlich einsam stehendes Haus. Keine Freunde für Bruno und seine Schwester Gretel weit und breit, dafür aber jede Menge Soldaten und ein merkwürdiges Dorf in der Nähe, das eingezäunt ist und in dem sehr viele Menschen zu leben scheinen, die alle gleich angezogen sind: Sie tragen gestreifte Pyjamas und gestreifte Mützen. Brunos Lieblingsbeschäftigung in Berlin war das Forschen. Hier in Aus – Wisch gibt es nichts zu forschen. Bis auf das merkwürdige Dorf. Nach einiger Zeit beginnt Bruno, dort zu forschen…….
Selten hat mich ein Buch so berührt wie dieses. Erst nach 20 oder 30 Seiten realisierte ich, dass ich kein Buch für Erwachsene las, sondern ein Jugendbuch. Und doch ist dieses Buch auch eines für Erwachsene, vielleicht so, wie es andere Bücher wie z.B. „Hallo Mister Gott, hier spricht Anna“ sind. Konsequent erzählt John Boyne aus der Perspektive und dem Erleben des 9 – jährigen Jungen. Mit seiner Naivität und den Fragen, die er stellt führt uns Bruno die Ungeheuerlichkeit des Holocaust vor Augen. Dabei gelingt es dem Autor, mit wenigen Worten ganze Geschichten zu erzählen. Dabei wird in diesem Buch keine einzige Brutalität explizit beschrieben, sondern seine Wirkung besteht darin, dass wir als Erwachsene uns genau vorstellen können, was da passiert. Die beklemmende Atmosphäre, die in Brunos Elternhaus und der Umgebung herrscht, wird immer wieder spürbar.
Jugendliche wird das Buch dazu anregen, zu fragen, was Bruno eigentlich wirklich erlebt und so ins Gespräch über dieses dunkle Kapitel deutscher Geschichte zu kommen. Und auch dazu, darüber nachzudenken, wie sie selbst in so einer Situation wohl handeln würden. Denn Zäune gibt es leider auch heute immer mehr.
So empfehle ich dieses Buch allen Jugendlichen ab 12 Jahren und Erwachsenen.