‚Deckname Otto’ ist ein Roman über das Leben des venezoelanischen Freiheitskämpfers Oswaldo Barreto Miliani während der 50ger bis 70ger Jahre des 20. Jahrhunderts.
In einem Andendorf 1934 geboren wächst Oswaldo in einer kinderreichen Familie auf. Häßlich von Statur und Aussehen, ängstlich, aber wie sich bald zeigt hochintelligent und gierig nach Büchern und Bildung hebt er sich von seinen Geschwistern ab. Sein angeborenes demagogisches Talent sowie sein Widerspruchsgeist gegen Autoritäten bringen ihn schon bald in politische Schwierigkeiten. So wird er zum ‚enfant terrible’ seiner Familie, gerät eher zufällig zu den Kommunisten und mit ihnen in politische Auseinandersetzungen. Um der staatlichen Verfolgung zu entkommen, schickt ihn seine Familie in den 50ger Jahren zum Studium nach Europa. In Salamanca, Paris und Tübingen studiert er Jura, Philosophie und Soziologie.
Als Mitglied der kommunistischen Partei kämpft er für die Befreiung unterdrückter Länder – Algerien, Bolivien, Venezuela. In Kuba erhält er eine militärische Ausbildung zum Guerillero.
Sein Lebenstraum ist ein Leben als Philosoph und Soziologe. Sein Lebensweg dagegen ist schillernd: akademischer Lehrer, Bankangestellter, Journalist, Parteiführer, Soldat, Bankräuber, Freiheitskämpfer, unfreiwilliger Emigrant. Mit seinen politischen Zielen gescheitert konnte er dennoch in sein Land zurückkehren und lebt dort heute zurückgezogen.
Die Autorin hat selbst in den Anden Venezuelas gelebt und ‚Ottos’ Geschichte nach dessen Erzählungen in einen fesselnden Roman gebracht.
Der europäische Leser erfährt viel über die südamerikanischen Mentalität und die Gesellschaft Venezuelas. Aufschlußreich ist aber auch, wie sich die europäischen Städte der 50ger Jahre dem Venezuelaner Oswaldo darstellen: die triste Religiosität Salamancas , das liberale Paris, das rigorose Vorgehen der Franzosen gegen die Algerier, die tolerante und doch verschlossene britische Gesellschaft Londons, die rituelle schwäbische Freundlichkeit in Tübingen gepaart mit strikter Intoleranz gegen kleinste Ordnungsverstöße..
Aktuell ist Ottos Geschichte, weil wir uns eine Vorstellung vom Leben eines Guerillero machen können. Illegal, verfolgt von Polizei und Geheimdiensten, immer auf der Hut und auf die Hilfe Gleichgesinnter angewiesen. Im Netz seiner Partei ist er bloßer Befehlsempfänger, als Guerillero wird er gedrillt auf Kampfeinsatz, frustriert und aggressiv wartet er endlos auf seinen Einsatz.
Können wir uns so auch das Leben der in Europa verstreuten auf ihren ‚Einsatz’ wartenden Terroristen vorstellen? Die Leichtigkeit und Lebensfreude der Venezuelaner sowie die endlosen politischen Diskussionen haben mit dem Leben derer, die sich selbst heute als Freiheitskämpfer bezeichnen vermutlich wenig gemeinsam.
Diese Geschichte eines idealistischen Mannes ist –trotz einiger Längen- sehr lesenswert, als Urlaubslektüre zu empfehlen!