Wir leben in herausfordernden Zeiten! Wer hätte erwartet, dass sich in Deutschland wieder eine rechte Partei wie die AFD so hoher Zustimmungswerte erfreuen könnte? Und dann der Blick in die USA, in wie kurzer Zeit sich eine scheinbar stabile Demokratie zertrümmern – das lässt sicher nicht nur mir einen Schauer über den Rücken laufen.
Der amerikanische Professor für Osteuropäische Geschichte an der Yale University Timothy Snyder hat bereits 2017 ein Buch geschrieben, in dem er 20 Lektionen zusammengestellt hat, wie man Widerstand leisten kann gegen diese Entwicklung. Das Buch erschien 2021 in einer von Nora Krug illustrierten Ausgabe und ist inzwischen auch als Paperback lieferbar.
„Leiste keinen vorauseilenden Gehorsam“, „Frage nach und überprüfe“, „Sei so mutig wie möglich“ – das sind nur 3 der Lektionen und Sie merken schon, dass das sehr konkrete Aufforderungen sind. Alle Lektionen werden unterfüttert mit Beispielen aus der Geschichte, denn, so schreibt Snyder in seinem Prolog, „Geschichte wiederholt sich nicht, aber wir können aus ihr lernen.“ Nora Krug, deren eindrucksvolle Graphic Novel „Heimat“ Sie vielleicht kennen, hat die Lektionen einfühlsam und ausdrucksstark illustriert.
Mich hat „Über Tyrannei“ vor allem deshalb beeindruckt, weil Snyder seine Botschaften darin unglaublich kompakt und dicht vermittelt. Auf den ersten Blick glaubte ich, das wird schnell gelesen sein – aber weit gefehlt! So leicht sich das Buch auch lesen lässt, musste ich mir doch auch immer wieder Zeit nehmen, das Gelesene sacken zu lassen und zu verarbeiten. So habe ich meist nicht mehr als zwei oder drei Kapitel hintereinander gelesen und immer wieder auch mal zurückgeblättert. Das Buch ist in gewisser Weise sehr amerikanisch, Snyder schrieb es unter dem Eindruck der ersten Wahl von Donald Trump zum Präsidenten. Aber gerade weil er ein exzellenter Kenner der europäischen Geschichte ist, zieht er immer wieder Parallelen dahin und schreibt, dass der einzige Vorteil der Amerikaner der ist, dass daraus, wie die Demokratie in Europa Faschismus, Nationalsozialismus und Kommunismus weichen musste, lernen zu können. Heute sehen wir, dass die Amerikaner nicht genug aus unserer Geschichte gelernt haben, aber wir können es tun. Indem wir dieses Buch lesen und uns sensibilisieren für die scheinbar kleinen, unauffälligen Veränderungen, die irgendwann nur noch schwer rückgängig zu machen sind.
„Verteidige Institutionen“, „Sei freundlich zu unserer Sprache“ und „Achte auf gefährliche Wörter“ – das sind Lektionen, die sich mir unter anderem besonders eingeprägt haben. „Setze ein Zeichen“ – das ist die 8. Lektion und wer dieses Buch liest, der wird ermuntert, zu überlegen, wie Zeichen im ganz persönlichen Umfeld gesetzt werden können. Dieses Buch zu lesen, es weiter zu geben und darüber zu sprechen, schon das kann ein solches Zeichen sein.
Auf jeden Fall ist es ein Buch, das immer wieder in die Hand genommen werden will und zu einem wichtigen, anregenden Begleiter in diesen unruhigen Zeiten werden kann!
Hier können Sie einen Blick ins Buch werfen
Wenn Sie Lust bekommen haben, das Buch zu lesen, können Sie es im Vaihinger Buchladen bestellen oder herunterladen. Der Link führt direkt zum Titel im Webshop