Zwar arbeite ich nicht mehr im Stuttgarter Schriftstellerhaus, aber ich verfolge die Aktivitäten dort natürlich noch. So stieß ich auch auf diesen Roman. Als Lena Schätte Anfang 2025 als Stipendiatin ausgewählt wurde, war ihr Roman noch gar nicht erschienen und dass er auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2025 landen würde, ahnte niemand. Die Auszeichnung mit dem W.G.Sebald Literaturpreis 2024 für einen Auszug aus dem Roman war jedoch schon ein Hinweis, dass es eine vielversprechende Veröffentlichung werden würde. Nun wird Lena Schätte im letzten Quartal 2025 im Schriftstellerhaus leben und dabei nicht nur an einem neuen Roman arbeiten, sondern auch ihr Wissen und ihre Erfahrung in einem 10 teiligen Schreibcoaching zum Thema Autofiktionales Schreiben weitergeben.

Autofiktional aber nicht autobiographisch ist auch ihr Text, obwohl die Widmung „Für Papa“ schon für Irritationen sorgte: In diesem Interview stellt sie jedoch klar, dass sie in ihrem Roman zwar eigene Erfahrungen verarbeitet, dass es aber nicht ihre Familie ist und es sich um literarisch geformte Figuren handelt.

Motte, wie die Erzählerin von ihrem Vater liebevoll genannt wird, ist ein Vaterkind, aber sie hat einen schwierigen Vater. Da gibt es den nüchternen, der sich auf ihre Fragen eine gute Antwort ausdenkt, wenn er die richtige nicht weiß, der mit ihr rennt und der gute Verstecke kennt. Und dann gibt es den, der abends zuerst ein Weizenbier trinkt, dann noch eines und irgendwann Schnaps. Den Vater, der sich, wie sie sagt, „über den anderen legt und ihn verschwinden lässt.“

Auch Motte fängt irgendwann an zu trinken, viel mehr, als ihr guttut. Und ihr Freund ebenfalls. Erst als der Vater eine Krebsdiagnose erhält, findet Motte ihren Weg, der es ihr ermöglicht, vom Vater und vom Alkohol Abschied zu nehmen.

Gerade einmal 187 Seiten umfasst der Roman, der in einer knappen, unprätentiösen Sprache erzählt, wie die Sucht des Vaters das Leben einer Arbeiterfamilie im Ruhrgebiet prägt. Seine Arbeit ist auch für den Titel des Romans verantwortlich, denn jeden Abend schrubbt sich der Vater nach der Heimkehr als erstes lange das Schwarz von seinen Händen. Lena Schätte benötigt nur wenige Sätze um das Dilemma zu beschreiben, in das die Familie gerät, als der Vater wegen seiner Trinkerei seinen Job in einer Fabrik verliert und die Familie das Haus, in dem sie gelebt hat. Gleich zu Beginn des Buches lesen wir, was für Dinge die Mutter ihren Töchtern beibringt: Nicht „Danke“ und „Bitte“ sagen, sondern dass Männer die Bier trinken harmloser sind, als die, die Schnaps trinken und dass eine Frau immer gut verstecktes Fluchtgeld haben muss. Sie erzählt von Mottes Einsamkeit, dem Schmerz und von der Wut auf den Vater, den sie jedoch nie aufhört zu lieben und für den sie bis zum Ende da ist.

Man spürt in jedem Kapitel, dass Lena Schätte zwar auf eigenes Erleben zurück greift, aber auch auf viele Gespräche, die sie bei ihrer Arbeit als Psychiatriekrankenschwester mit Patient:innen geführt hat. Es gelingt ihr, eine Ambivalenz dazustellen, die vielleicht nur die wirklich verstehen können, die sie selbst erlebt haben: In der Familie Liebe und Vertrauen zu erleben und gleichzeitig Wut und Enttäuschung aushalten zu müssen. Für diese ambivalente Gefühlswelt findet sie eine ganz eigene, starke literarische Sprache, die mich beeindruckt hat. Ein wirklich lesenswerter Roman!

Auch wenn es mit dem Deutschen Buchpreis 2025 nicht geklappt hat: Das Schriftstellerhaus kann sich auf eine interessante Autorin freuen!

In diesem Bericht spricht Lena Schätte über ihren Roman (Video, 4:10 Minuten)

Eine ausführliche Rezension finden Sie hier (Audio, 5:09 Min., verfügbar bis 14.3.2026)

Eine Leseprobe finden Sie hier

Wenn Sie Lust haben, das Buch zu lesen, können Sie es im Vaihinger Buchladen bestellen oder herunterladen. Der Link führt direkt zum Titel im Webshop